Bis heute ist die Zeitung trotz dramatischen Auflagenschwundes ein Massenmedium. Die Besonderheit des Produkts besteht neben der hohen Erscheinungsfrequenz in ihrem Wegwerfcharakter. Dem entgegen wirken Sonderausgaben, die etwa von Künstler*innen gestaltet werden und die Zeitung zu einem Sammlerobjekt werden lassen. Drei Sonderausgaben deutscher Tageszeitungen werden hier vorgestellt.
Seit einigen Jahren veröffentlicht die im Springerverlag erscheinende Tageszeitung „Die Welt“ Ausgaben, die von und mit Künstler*innen gestaltet werden. Die Ausgaben erscheinen sowohl ganz normal im Handel als Tageszeitung, sind aber auch im Nachhinein als Edition erhältlich. Am 29. Oktober 2020 erschien „Die Welt der Katharina Grosse“. Über die vier Bücher der Ausgabe verteilt finden sich die unterschiedlichsten Bilder und Formen des Umgangs mit Bildern der deutschen Künstlerin Katharina Grosse. So sind einige Bilder wie klassische Pressefotografien in das Seitenlayout eingefügt, während andere eine komplette Doppelseite einnehmen oder als Hintergrundbild für den entsprechenden Artikel dienen. Die Ausgabe von Katharina Grosse ist die 11. Ausgabe in dieser Reihe von Sondereditionen. Sie sprengt in ihrer Aufmachung die Grenzen und Konventionen der Layouttradition des Mediums Zeitung, etwa wenn sie ganze Seiten mit ihren Farbkompositionen überzieht. So besteht die Titelseite etwa aus einer einzigen Fotografie, die zwei Hände zeigt, die wiederum eine mit einem gelb-grünen Farbstreifen überzogene Titelseite halten. Aufgrund des großen Farbauftrags ist die fotografierte Titelseite links und rechts etwas eingerissen. Das Bild ist komplett über die Falz gezogen, so dass es nur dann komplett zu sehen ist, wenn die Zeitung als kompletter Druckbogen aufgefaltet ist. Auf der eigentlichen Titelseite ist oben nur der Name der Zeitung, das Datum sowie der Preis zu lesen und ein Teil der Seite mit dem rechten Arm der Künstlerin zu sehen. Die von Katharina Grosse gestaltete Ausgabe umfasst insgesamt 40 Seiten.
Das Prinzip, einmalig eine Ausgabe der Zeitung von einem*/einer* Künstler*in gestalten zu lassen, wendete im Jahr 2018 auch das zur Funke Mediengruppe gehörende Hamburger Abendblatt an. Am Donnerstag, den 7. Juni 2018 gestaltete der international bekannte niederländische Fotograf Anton Corbijn eine Sonderedition des Hamburger Abendblatts. Überschrieben war die Ausgabe mit „Diese Zeitung ist ein Kunstwerk“. Der Aufhänger für diese Sonderausgabe war der Beginn der achten Auflage des Fotofestivals „Triennale der Photographie“ in Hamburg, in deren Rahmen im Bucerius Kunst Forum auch eine Ausstellung von Anton Corbijn gezeigt wurde. Auf dem Cover ist ein Porträt des Musikers Henry Rollins von 1994 abgebildet, das auch den Aufmacher der Ausstellung darstellt. Die Titelseiten der anderen drei Bücher sowie drei Rückseiten zieren vollformatige Fotografien Corbijns. Fotografien in solch einer Größe ohne Text zu präsentieren, ist eine absolute Ausnahme in einer Tageszeitung und macht den besonderen Charakter dieser Sonderedition aus. Darüber hinaus finden sich in allen anderen klassischen Rubriken der Zeitung vom 7. Juni wie Politik und Wirtschaft ausschließlich Fotografien von Corbijn. Die Ausgabe zeichnet sich insgesamt durch einen völligen Verzicht auf Pressefotografien aus. Anders als im Fall der Sondereditionen der Tageszeitung „Die Welt“ steht die Sonderedition des Hamburger Abendblatts in direktem Bezug zu einer Ausstellung, womit ein großer Werbeeffekt erzielt werden konnte.
Ebenfalls auf eine Ausstellung bezieht sich eine Beilage einer Berliner Lokalzeitung aus dem Jahr 2017. Anders als bei den anderen zwei Beispielen geht es jedoch um historische Fotografien. So widmete die Berliner Morgenpost ihr Wochenendmagazin vom 18. Juni 2017 einer Sonderausgabe zu einer Ausstellung im Berliner Deutschen Historischen Museum. Die Ausstellung trug den Titel „Die Erfindung der Pressefotografie“. Das Cover der Ausgabe ziert ein Bild aus der Ausstellung. Darüber findet sich die Wortmarke der historischen „Berliner Illustrirte Zeitung“ in der Original-Typografie. Die „Berliner Illustrirte Zeitung“ erschien von 1892 bis 1942 und war stilprägend für einen neuen Typus von Illustrierten und eine neue Form der fotografischen Berichterstattung. Die Sonderausgabe erzählt auf acht Seiten die Geschichte der Zeitung und die Geschichte der Pressefotografie. Dazu wurden verschiedene historische Pressebilder aus der Zeit zwischen Anfang des 20. Jahrhunderts und den 1930 er Jahren publiziert.
Text: Dr. Felix Koltermann