Beim Blick auf ein fertig gestaltetes Magazin-Cover am Kiosk bleibt die dahinterstehende Arbeit in der Regel unsichtbar. Während die Namen der Fotograf*innen vielleicht noch zu finden sind, schaut meist kaum jemand im Impressum nach, wer für die Bildredaktion verantwortlich ist. Eine von der freien Journalistin Tine Hutzel verantwortete Interview-Serie in der Zeitschrift PHOTONEWS stellte genau diese Akteure in den Vordergrund.
Frau Hutzel, zwischen September 2019 und März 2020 führten Sie für die Serie „Bildlich gesprochen“ in der Fotozeitschrift „PHOTONEWS“ Interviews mit Bildredakteur*innen. Wie kam es zu diesem Projekt?
Das war eine Idee von Anna Gripp (Chefredakteurin der Photonews). Sie kam auf mich zu und hatte schon eine grobe Vorstellung: Sie wollte im besten Falle eine Reihe machen – mit einem kleinen Testballon – und Bildredakteur*innen führender deutscher Magazine interviewen. Ich hatte anfangs noch mit ein paar kleinen Underdog-Magazinen geliebäugelt, aber Anna wollte den Fokus gerne auf die auflagenstarken Magazine legen, da hier der Blick hinter die Kulissen für Fotograf*innen besonders wertvoll ist. Ich habe dann eine umfassende Recherche zu deutschen Magazinen und Tageszeitungen durchgeführt, basierend auf den Auflagen- und Verkaufszahlen, und davon ausgehend haben wir dann eine Auswahl getroffen.
War es schwierig die Bildredakteur*innen davon zu überzeugen, über Ihre Arbeit zu sprechen?
Der Start gestaltete sich tatsächlich schwieriger als gedacht. Nicht wegen der Recherche, denn die Namen der Bildredakteur*innen finden sich ja schnell für Print wie Online im jeweiligen Impressum. Schwierig war es, den Kontakt aufzubauen und die Personen zu erreichen. Wir hatten zum Beispiel auch eine der großen deutschen politischen Tageszeitungen angefragt, aber leider nie eine Rückmeldung bekommen. Ich fand das sehr schade, aber auch dadurch hat sich die Auswahl der Interviewpartner*innen schlussendlich generiert. Wenn ich dann aber durchdringen konnte zu den Bildredakteur*innen, haben sich alle sehr über die Anfrage gefreut, für viele übrigens die Erste dieser Art.
Sie haben an der Ostkreuzschule für Fotografie in der Bildredaktionsklasse studiert und arbeiten selbst als Bildredakteurin. War dies Voraussetzung dafür diese Interviews führen zu können?
Das ist schwer zu beurteilen… Einerseits denke ich, es ist von Vorteil, dass ich weiß, was Bildredakteur*innen tun und wie wichtig sie sind. Von außen ist dieser Job für viele doch sehr nebulös. Andererseits besteht durch die Nähe natürlich auch die Gefahr, nicht objektiv genug zu fragen und das ein oder andere vorauszusetzen, das vielleicht einer Erklärung bedarf. Aber da die Bildredakteur*innen, mit denen ich gesprochen habe, ganz offen und entspannt in der Interviewführung waren, hatte ich das Gefühl, dass es jedesmal ein sehr gutes Gespräch unter Kolleg*innen war und damit hoffentlich auch bereichernd für die Leser*innen.
In der Reihe „Bildlich gesprochen“ erschienen insgesamt sechs Interviews. Auf der Webseite der PHOTONEWS sind die Interviews im Original als PDF herunterzuladen.
Folge 1: Wissenschaft für’s Auge. Fragen an die Bildredakteurin Carla Rosorius, GEO-Wissensgruppe
Folge 2: Blick auf die Gesellschaft. Fragen an die DUMMY-Bildredakteurin Trine Skraastad
Folge 3: Konstruktiver Aktivismus. Fragen an Peter Lindhorst, leitender Bildredakteur beim greenpeace magazin
Folge 4: Perfekt unperfekt. Fragen an Sybille Scharmann, leitende Bildredakteurin bei BARBARA und BRIGITTE
Folge 5: Wissen fühlen. Fragen an Thorsten Gerke, Bildredakteur des Magazins SPIEGEL Wissen
Folge 6: Kopfsache. Fragen an Andreas Kronawitt, Bildredakteur des Magazins „stern Crime – Wahre Verbrechen“
Wenn Sie über die Serie der Gespräche schauen, sind Ihnen da Gemeinsamkeiten aufgefallen in der Art wie in den Bildredaktionen gearbeitet wird?
Man könnte vielleicht sagen: Je größer und höher die Auflage, desto mehr wird auch darauf geachtet – oder versucht darauf zu achten – dass man ein möglichst breites Publikum erreicht. Und umso mehr orientiert man sich an Sehgewohnheiten, womit es dann auch leichter lesbar oder leichter verdaulich wird, ohne hier eine Wertung hineinlegen zu wollen. Das gilt unabhängig vom Thema. Aber zu komplex oder zu rau, so dass es die Betrachter*innen oder die Leser*innen dann wirklich aufreiben würde, das wird eher vermieden. Abgesehen davon überschneiden sich viele Recherche-Tools und Inspirationsquellen, zumindest in soweit, wie sie mir im Gespräch verraten wurden. Und auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bild- und Textredaktionen wurde übergreifend als sehr gut und fruchtbar beschrieben. Das ist ja leider nicht immer so.
Gibt es Ihrer Einschätzung nach visuelle Trends, die gerade Hochkonjunktur haben?
Mein Eindruck ist, dass sich zunehmend am Digitalen orientiert wird. Das heißt sowohl an den Inhalten, als auch an den Darstellungsformen. Die Sehgewohnheiten haben sich grundlegend verändert, man erreicht meine Generation nicht mehr auf denselben Wegen wie die unserer Eltern und die Generation nach uns nicht mehr mit den visuellen Mitteln, die bei uns gewirkt haben. Zudem kommen ständig neue Möglichkeiten an Darstellungsformen. Dadurch entstehen völlig neue Anforderungen an visuelle Umsetzungen und Herausforderungen an die Erzählstrukturen. Das wurde in den Gesprächen auch dadurch deutlich, dass alle Bildredakteur*innen mittlerweile auch auf Social-Media Plattformen recherchieren und sich inspirieren lassen. Das ist aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Was zeichnet für Sie gute Bildredakteur*innen aus?
Der Beruf ist stark unterschätzt. Und wird gerne verwechselt mit dem eines/einer Bildbeschaffer*in, der/die nach klaren Vorgaben eine 1:1 Abbildung in Datenbanken sucht und liefert. Am besten noch möglichst schnell und günstig. Foto Fast Food.
Das, was gute Bildredakteur*innen tun, ist weit komplexer. Es geht darum, die Agentur- und Medienlandschaft zu kennen. Die richtigen Fotograf*innen zu finden, sie briefen zu können, Konzepte zu schreiben, Chefredakteur*innen und Art-Direktor*innen für Ideen und mutige Umsetzungen zu begeistern. Eigene Erzählebenen zu schaffen und nicht nur Abbildung des Textes zu liefern. Sehgewohnheiten zu kennen, sie zu bedienen, aber auch mit ihnen brechen zu können, wenn es notwendig oder sinnvoll ist. Den Wert einer guten Fotografie zu kennen und ihr einen angemessen Raum zu schaffen. Im Grunde geht es darum, die Betrachter*innen zu berühren und abzuholen. Das in verschiedenen Kontexten zu schaffen, das macht gute Bildredakteur*innen aus.
Macht es einen Unterschied, ob ich als Bildredakteur*in für Journalismus, Corporate oder PR arbeite?
Das ist ein essentieller Unterschied, auch aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung. Aktuell arbeite ich mit Schwerpunkt in der Pressearbeit, davor im tagesaktuellen und politischen Journalismus. Die Unterschiede haben mit den Rahmenbedingung zu tun, damit, was man ausdrücken und vermitteln will und mit der Erwartungshaltung der Betrachter*innen. In allen Bereich gibt es Regeln, die mit der Glaubwürdigkeit und der jeweiligen Zielvorstellung zu tun haben. Und auch hier sind die Digitalisierung und die sich ständig weiterentwickelnden Möglichkeiten der Bildbearbeitung Gamechanger, mit denen man umzugehen wissen muss.
Vielen Dank für das Gespräch!
Tine Hutzel ist selbstständige visuelle Expertin und freie Autorin. Sie studierte an der Ostkreuzschule Berlin und der Universität zu Köln. Ihr Volontariat absolvierte sie in der Agentur laif und wechselte anschließend zum WDR in die Presseabteilung. www.tinehutzel.de
Das Interview erscheint in einer Medienpartnerschaft mit dem ver.di-Medien-Magazin „Menschen Machen Medien“ sowie des European Journalism Observatory (EJO).