In Deutschland spielen Journalistik-Studiengänge eine wichtige Rolle bei der Journalismusausbildung. Eine der renommiertesten Ausbildungsstätten in diesem Bereich ist die TU Dortmund. Welche Rolle die Fotografie und die Bildredaktion dort in der Lehrredaktion des Studiengangs spielen, darüber sprach Felix Koltermann mit Daniela Arndt, Leiterin der Fotoredaktion beim studentischen Magazin KURT.
Welche Rolle spielt die Fotografie in der Lehrredaktion Kurt?
Sie hat immer eine Rolle gespielt, hatte aber keine Hauptrolle. Sie wurde eher als ein Nebenschauplatz gesehen und immer stark dem Printmagazin zugeordnet, obwohl es schon lange eine Online-Seite gibt. Für Online gibt es für Studierende keine expliziten Angebote in Richtung Fotografie. Zwischendurch gab es auch mal Fotoseminare. Die hatten jetzt zwar nicht direkt etwas mit der Lehrredaktion zu tun, sondern waren im Wahlpflichtmodul verankert und wurden von externen Lehrkräften angeboten. Lange Zeit hat das ein Fotograf gemacht, aber als er gesagt hat, er kann das zeitlich nicht mehr, wurde das Angebot leider ersatzlos gestrichen.
Würden Sie denn sagen, dass im Studiengang die Fotografie die Aufmerksamkeit hat, die sie verdient oder würden Sie der journalistischen Fotografie mehr Aufmerksamkeit geben?
Ich denke da wird Potential verschenkt, weil ich die Fotografie für sehr relevant halte und sie immer relevanter wird, gerade auch im Digitalen. Tolle Magazine mit großen gedruckten Bildern, das kennen wir ja alle, und da sieht man die Relevanz irgendwie noch eher ein. Digital nimmt das ab. Dabei konsumieren wir ja ständig alle Bilder online und auch auf journalistischer Ebene sind diese relevant, allein schon um Reichweite und Aufmerksamkeit zu erzielen. Und da finde ich es auch unglaublich wichtig, dass es qualitativ hochwertige Bilder sind, sowohl technisch, aber auch inhaltlich. Was das angeht, gibt es noch sehr viel Spielraum. Man kann nicht ignorieren, dass das ein wichtiges Feld ist und dass es für den Journalismus immer ein wichtiges Feld sein wird.
Welche Kompetenzen möchten Sie den jungen Journalist*innen in Bezug auf die Fotografie vermitteln?
Ich glaube es ist gar nicht so bedeutend zwischen Redaktion und Produktion zu unterscheiden, wenn man jetzt mal die Nachbereitung außen vor lässt. Was das Aufnehmen von Bildern, also die Technik angeht, ist das einfach eine Übungssache. Das kann eigentlich jede und jeder lernen, ob mit Kamera oder dem Smartphone. Was sehr wichtig ist und wo noch viel Raum für Verbesserung bleibt, ist das Bild als eine Geschichte zu sehen und nicht immer nur als einen Zusatz. Wenn man ein Interview macht, sollte man etwa nicht nur daran denken, dass man noch ein einfaches Bild der Person braucht, sondern überlegen, was ich über diese Person erfahren und was das Bild transportieren kann. Da ist es wichtig, sich auch ein bisschen mehr zu trauen. Ich glaube, dass da das, was am Institut für Journalistik vermittelt wird, noch sehr verhalten und vielleicht auch ein bisschen Oldschool ist, wenn ich das jetzt mal so formulieren darf. Man versucht da sehr sachlich zu sein in seinen Bildern und nur das zu zeigen, was man dann auch in seinem Text oder Onlinebeitrag sowieso schon erzählt.
Was zeichnet für Sie eine Journalistische Fotografie im Vergleich mit anderen Bereichen aus?
Ich würde sagen, dass man natürlich im Vergleich zu Werbe- oder zur Porträtfotografie ein bisschen weniger wild sein sollte beim Thema Inszenierung. Allerdings ist es umso wichtiger, nah am Subjekt zu sein. Manchmal geht beim Versuch, journalistische Distanz zu bewahren, die Nähe zu dem Subjekt oder der Person oder was auch immer gerade Fokus des Themas ist, verloren. Ich glaube aber, das gerade diese Nähe ein großes Potential des Fotojournalismus ist. Nicht in dem Sinne „ich schlage mich auf eine Seite“ oder „ich möchte jetzt hier eine einzelne Meinung vertreten“, aber um das abzubilden, was man bei seinem Termin erleben konnte und was man ja auch in einem Text oder Audiobeitrag rüberbringen würde.
Was im zeitgenössischen Journalismus immer stärker wird, vor allem Online, sind Symbolbilder, die oft auch aus dem Bereich der Stockfotografie kommen. Wie stehen Sie zum Einsatz von Symbolbildern im Bereich Journalismus und wie vermitteln Sie das in Ihrer Arbeit?
Teilweise sind sie unumgänglich. Und auch mit Stockfotos kann man umgehen. Das ist tatsächlich gerade auch in der Lehrredaktion ein Thema, weil Studierende es sich da manchmal ein bisschen einfach machen oder ihnen nicht klar ist, dass sie anstatt Stockfotos zu nehmen, auch selbst Bilder machen können. Klar gibt es Themen, da ist die Kreativität dann an irgendeinem Punkt auch drüber. Aber ein Symbolbild kann ja durchaus auch ansprechend und kreativ gestaltet sein. Und es darf auch gerne etwas sein, was nicht schon 80mal identisch verwendet wurde, weil es einfach bei Shutterstock zu finden ist. Manchmal fordert das etwas mehr, weil man auch um die Ecke denken muss und der Grad zwischen einer platten Metapher und einer zündenden Idee sehr schmal ist.
In Dortmund gibt es neben der Journalistik an der TU an der Fachhochschule einen ebenso renommierten Studiengang für Fotografie. Meine Beobachtung ist, dass Fotografie- und Journalismusstudiengänge wie zwei Welten sind, wo es selten Überschneidungen und kaum Kooperationen gibt. Wie sehen Sie das?
Zuerst erst einmal teile ich diese Beobachtung. Wir haben jetzt zufälligerweise tatsächlich jemanden, der an der FH Fotografie studiert und bei uns im Fotoressort arbeitet. Das kam aber über persönliche Kontakte und hat nichts mit einer Kooperation zu tun. Auf jeden Fall ist der Journalismus etwas, dass die an der FH nicht unbedingt so auf dem Schirm haben und wir haben wiederum die Fotografie nicht so auf dem Schirm. Aber ich denke, dass von einem Austausch sicher beide Seiten profitieren könnten. Ich finde es schade, dass es nicht mehr Kooperation gibt, obwohl es so nah ist, und dass es so gesehen wird, als wären es unterschiedliche Welten und Nischen, in die man geht. Das ist zwar bis zu einem gewissen Grad so, aber es gibt eine große Schnittmenge, auf die man aufbauen kann.
Hat das vielleicht auch mit einer Haltung im deutschen Journalismus zu tun, wo Fotografie eher als so ein Add on gesehen wird und die Fotojournalist*innen nie ernst genommen werden als Journalist*innen?
Den Eindruck habe ich auf jeden Fall. Auch von dem, wie das Fotoressort, in dem ich ja jetzt auch noch arbeite, am Institut für Journalistik gesehen wurde. Alle waren froh, dass es uns gab und dass wir das gemacht haben. Aber vor allem war es schön und ästhetisch. Dass da auch eine journalistische Leistung hinter steht, war nicht wirklich präsent. Und das wird immer noch so gesehen. Das merkt man auch, wenn Studierende kommen und Themen zum ersten Mal pitchen, dass die sich gar keine Gedanken darüber machen, dass sie vielleicht mehr als ein Bild brauchen und dass sie gar nicht verstehen, dass es ein Problem sein könnte, wenn es aus irgendeinem Grund keine Bebilderung gibt. Und das liegt daran, dass das eher als „Nice to have“ gesehen wird.
Wie ist es denn bei Ihnen selbst? Sie haben ja an der TU Dortmund Journalismus studiert und sind dann zu Fotografie gekommen. Was war denn bei Ihnen der Auslöser?
Ich habe Journalistik studiert, weil ich gerne Geschichten erzählen wollte. Da gab es halt dieses Fotoressort und irgendwie wollte das niemand machen. Ich hatte auch schon eine Kamera, einfach so als Hobby für den Urlaub, und da habe ich gesagt „Na gut komm, dann mache ich das“. Da habe ich festgestellt, dass man auch großartig Geschichten erzählen kann, ohne sie aufzuschreiben und meine Form der Kreativität entdeckt, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte. So bin ich mehr oder weniger daran hängen geblieben und das hat sich so weiterentwickelt. Ich habe auch noch volontiert bei der Main Post und bin da wieder ins Schreiben gekommen. Unabhängig davon, dass ich es gerne gemacht habe, hat es mir dort unglaublich viel gebracht fotografieren zu können. In der Lokalredaktion waren alle begeistert von meinen Bildern. Ich habe dann bessere Themen bekommen, weil ich schöne Bilder mitbringen konnte.
Sollte Ihrer Meinung nach die Fotografie eine größere Rolle in der Volontär*innnenausbildung haben?
Da kann ich jetzt nur von meiner eigenen Erfahrung sprechen. Meistens gibt es nur einen Kurs, so was wie „Spiegelreflexkameras in drei Stunden“. Und das ist ja auch schon mal gut, dass es das gibt. Aber da geht es wirklich vor allem um die Technik. Und ich glaube es braucht gar nicht so viel mehr, wenn man einfach vermittelt: „Hey bei uns ist es total wichtig. Wir wollen, dass Bilder die Geschichten auch wirklich bereichern und nicht nur ein Grafikelement auf der Seite sind“. Deshalb machen wir aus drei Stunden vielleicht einen ganzen Tag oder sogar eineinhalb. Gerade jüngere Menschen sehen die Relevanz z. B. durch ihr eigenes Konsumverhalten, bei dem sie merken, wenn mich das Bild gar nicht anspricht, lese ich auch den Text nicht. Und da reicht wahrscheinlich sogar schon so ein Funke, um darauf ein Augenmerk zu legen. Das sollte einfach kommuniziert werden. Ich glaube das könnte diese ganzen Abläufe sowohl vereinfachen als auch verbessern.
Zum 1. Oktober wird die Printausgabe des Kurt eingestellt. Wie geht es dann weiter mit dem Fotoressort bzw. der fotografischen Arbeit?
Traurigerweise geht es in die entgegengesetzte Richtung von allem, was ich gerade gesagt habe und was ich persönlich wünschenswert finde. Das Fotoressort und auch das Layoutteam werden eingestellt, weil die Verankerung da noch zu stark im Print gesehen wird. Dadurch, dass das Magazin wegfällt und die Redaktion ein großer Kostenpunkt ist, wurde das so entschieden. Die Fachschaft der Studierenden hat sich beschwert und daraufhin wurde beschlossen, dass es auch weiterhin eine fotografische Ausbildung geben soll. Das ist schon mal sehr positiv. Das wird jetzt im Wintersemester in Form einer zweitägigen Weiterbildung sein, die aber freiwillig ist und momentan eine Kapazität von 14 Personen hat. Wobei ich mir vorstellen kann, dass es bei großer Nachfrage vielleicht auch zwei Kurse geben könnte. Aber eine Fotoredaktion für das digitale Magazin wird es nicht mehr geben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Daniela Arndt ist freie Fotografin und Redakteurin. Die Dortmunderin arbeitete nach dem Journalistik-Studium in verschiedenen Marketing-Abteilungen und baute parallel dazu ihr Fotografie-Portfolio aus. Bis Oktober 2021 leitete sie außerdem das Fotoressort beim Campusmagazin KURT an der TU Dortmund. Mittlerweile übernimmt sie Fotoanfragen aus unterschiedlichen Bereichen und gibt Fotokurse für junge Journalist*innen.